Die Zusammenarbeit mit Introvertierten in einem Team kann herausfordernd sein. Ihre ruhige, nachdenkliche Art kann es für die extrovertierten Teammitglieder schwer machen. Was kann ich tun um beide Persönlichkeiten in einem Team erfolgreich zusammenzubringen?

Vielfalt in Teams ist enorm wichtig um verschiedenste Blickwinkel auf ein Thema oder in einem Projekt zu erhalten. Dabei bezieht sich Vielfalt bzw. Diversity nicht „nur“ auf das Geschlecht, die Herkunft und das Alter der Teammitglieder. Haltung, Veränderungsbereitschaft und Fähigkeiten gehören genauso dazu. Für mich spielen auch verschiedene Persönlichkeiten eine große Rolle: Macher, Entertainer, Kreativköpfe, Extrovertierte und Introvertierte. Eine gesunde Mischung von all diesen Persönlichkeiten, kann am Ende das Zünglein an der Waage sein für den Erfolg eines Projekt.

Büroalltag mit Introvertierten

Andrea Steverding
Andrea Steverding

Gerade Introvertierte werden schnell übersehen, da sie durch ihr Naturell eher ruhiger sind und nicht unbedingt auffallen. Dabei haben sie so vieles beizutragen. Wie sieht das im realen Büroalltag aussehen? Andrea Steverding Head of Marketing & Communications in DACH @Oliver Wyman gibt uns einen Einblick in ihre Arbeitswelt.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Mein typischer Arbeitstag startet nach dem Frühstück damit, ausführlich E-Mails zu bearbeiten. Den Tag über komme ich eher weniger dazu, da ich viele Telefonkonferenzen und Meetings habe und zwischendrin bin ich immer mal wieder auf Social Media aktiv. Mein Arbeitstag endet in der Regel mit einem Blick in die digitalen Ausgaben der morgigen Tageszeitungen.

Was macht dir besonders viel Spaß bei der Arbeit?
Wenn Kommunikation und Strategieberatung zusammenkommen, ist es genau das, was ich liebe: schnell, inhaltlich anspruchsvoll und sehr abwechslungsreich. Das ist ein Bereich, in dem unternehmerisches Handeln und hoher Innovationsgrad gefragt sind. Gemeinsam mit einer großen Portion Humor und Kollegialität sind dies die Gründe dafür, warum ich schon so lange bei Oliver Wyman tätig bin.

Worauf legst du großes Augenmerk bei der Zusammenarbeit in deinem Team?
In Teams finde ich wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen, Verantwortung nicht nur für sich und seine eigenen Projekte zu tragen, sondern auch bei anderen mitzuhelfen, sowie mit Fehlern offen umzugehen, damit die Lernkurve für alle zugänglich ist. Ich freue mich zudem, wenn Menschen sich nicht fragen, ob sie zu neugierig sind oder ob sie jemandem etwas wegnehmen, wenn sie sich einbringen, sondern ein Team im Alltag eng verzahnt ist und gemeinsam an einem Strang zieht.

Was bedeutet dabei für dich Diversity und was verstehst du darunter?
Diversity ist Vielfalt und das bezieht sich auf sehr viele verschiedene Bereiche. Hierzu gehören Geschlecht, Herkunft, Alter, Religion ebenso wie Haltung, Skills und auch Lautstärke.

Warum ist aus deiner Sicht Vielfalt in Teams so wichtig?
Vielfalt in Teams ist wichtig. Das ist nicht immer einfach, weil so natürlich auch eher Reibung entsteht. Aber wenn verschiedene Blickwinkel, Erfahrungen und ungewöhnliche Ideen zusammenkommen, entstehen bessere Ergebnisse. Vielfalt ist wichtig, aber noch wichtiger ist Inklusion. Sie macht uns am Ende des Tages erfolgreicher.

Wo siehst du die Stärken von Introvertierten und den leisen Persönlichkeiten?
Ich teile ein Team nicht in intro- versus extrovertierte Menschen. In der Praxis ist die Welt auch nicht derart schwarz-weiß. Wenn wir ehrlich sind, hat fast jeder von uns individuelle Komfortzonen und ist außerhalb erst mal leiser und zurückhaltender. Die Stärken von leiser agierenden Personen im Job sind für mich, dass sie eher innehalten, ruhiger sind und meist genauer zuhören.

Was ist für dich eher herausfordernd in der Zusammenarbeit mit Introvertierten?
Jeder kann gerne leise sein – nur schweigen finde ich eher schwierig. Ein gutes Team lässt alle zu Wort kommen, sowohl die eher lauten als auch die leisen Menschen. Für mich ist ein respektvoller Umgang entscheidend. Zum einen finde ich wichtig, dass eine mutig vorpreschende Person auch die vorsichtiger kommunizierenden Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen lässt. Zum anderen, dass eine leisere Person sich einbringt und ihre Meinung beiträgt. 

Wie bekommst du die leisen Persönlichkeiten aus ihren Schneckenhäusern gelockt?
Im Mannschaftssport habe ich gelernt: Wenn die Spielregeln klar sind, kann sich jeder frei auf dem Spielfeld bewegen und alle Spezialisten haben das richtige Einsatzfeld. Falls sich dennoch jemand in einem „Schneckenhaus“ verstecken sollte, hilft aus meiner Sicht zuhören und ermutigen. Es ist wichtig, dass alle Meinungen, Blickwinkel und Erfahrungen hörbar sind, da sie relevant für den Erfolg eines Teams sind.

Was sind für dich die besten Eigenschaften von Introvertierten in Kommunikationsteams?
Ein erfolgreiches Kommunikationsteam braucht introvertierte Menschen und Momente. Wenn es zum Beispiel um Kreativität, Out-of-the-box-Denken und das Challengen von Maßnahmen, Ideen und Innovationen geht, macht ein Schritt zur Seite und gründliches Reflektieren sehr viel Sinn.

Welche Tipps würdest du Introvertierten geben, die sich schwer tun aus ihrer Deckung zu kommen?
Mit Disziplin und Mut an die Sache gehen: an sich selbst glauben, regelmäßig die Interaktion suchen und dabei auch mal „lauter“ werden als sonst. Systematisch auf Menschen setzen, denen man vertraut, und zum Beispiel im Mentoring und Coaching einen offenen Austausch über das Verlassen der Komfortzone suchen. Und schließlich Geduld: nicht aufgeben, wenn es mal schlecht läuft, denn Frustrationen gehören einfach dazu. Das Ganze ist kein Sprint, sondern eher ein Langstreckenlauf.

Und zum Abschluss eine ganz andere Frage: Welches Buch hast du als letztes verschenkt und warum gerade dieses?
Ich habe gleich zwei Bücher verschenkt. An meine lesebegeisterte Nichte Maike ging ein Science Fiction Thriller. Wer sich für eine Zukunftsvision für das Ende des 21. Jahrhunderts interessiert – Klimawandel, Völkerwanderung und KI mit einem packenden Protagonisten – der sollte Tom Hillenbrands „Hologrammatica“ eine Chance geben. Und da mir der aktuelle Bienen-Bestseller auf der deutschen Top 10 Liste nicht gefällt, schenke ich regelmäßig „Die Bienen“ von Laline Paull. Die Hauptfigur ist Flora 717, eine Säuberungsbiene aus der untersten Kaste im Bienenvolk. Sie ist anders als alle anderen und hat besondere Fähigkeiten, die ihren Rang weit überschreiten. Diese Geschichte ist bezaubernd, erschreckend, durchgeknallt und zugleich nachdenklich stimmend.

Herzlichen Dank für deine Antworten, liebe Andrea!